Zentrale Thesen des Paritätischen zur Bundestagswahl 2025

Die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar 2025 markiert einen entscheidenden Moment für die Zukunft Deutschlands. Unser Land steht vor komplexen Herausforderungen, die nur durch eine sozial gerechte, nachhaltige und zukunftsorientierte Politik gemeistert werden können.
In Zeiten wachsender Unsicherheit – geprägt von globalen Krisen, sozialer Ungleichheit und einer teils erodierenden öffentlichen Infrastruktur – ist die Demokratie besonders verwundbar. Soziale Sicherheit, funktionierende öffentliche Strukturen und der Schutz vor Menschenfeindlichkeit sind unabdingbar, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren. Die Wohlfahrtspflege, mit ihren vielfältigen sozialen Diensten und Begegnungsorten, spielt hierbei eine unverzichtbare Rolle als tragende Säule unserer Demokratie.
Der Paritätische Gesamtverband hat seine zentralen Empfehlungen für die Wahlprogramme zur Bundestagswahl veröffentlicht. Die wichtigsten Lösungsvorschläge zu den drängendsten Themen haben wir für Sie übersichtlich zusammengefasst. Die vollständigen Anregungen finden Sie hier.
Steuerpolitik: Reichtum für das Gemeinwohl nutzen
Deutschland verfügt über erheblichen privaten Reichtum, während öffentliche Mittel vielerorts fehlen. Eine gerechtere Steuerpolitik, wie die Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine faire Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, könnte dringend benötigte Investitionen in soziale und öffentliche Infrastruktur ermöglichen. Gleichzeitig sollte der Bund hochverschuldete Kommunen entlasten, um ihre soziale Handlungsfähigkeit zu sichern.
Sozialpolitik: Freiheit von Armut
Die Armutslücke muss geschlossen und die Regelbedarfe in der Grundsicherung armutsfest gestaltet werden. Willkürliche Abschläge bei der Berechnung des Existenzminimums sind abzuschaffen. Zudem muss gewährleistet werden, dass Widersprüche gegen fehlerhafte Sozialleistungsbescheide eine aufschiebende Wirkung haben, um Betroffene vor existenziellen Notlagen zu schützen.
Arbeitsförderung in der Grundsicherung: Chancen schaffen
Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfordert ausreichende finanzielle Mittel. Der Eingliederungstitel im SGB II und das Verwaltungsbudget der Jobcenter müssen gestärkt werden. Instrumente wie § 16i SGB II, die sozialpädagogische Betreuung und Lohnkostenzuschüsse kombinieren, sind auszubauen und vorrangig durch gemeinnützige Träger umzusetzen.
Wohnen: Das Grundrecht auf bezahlbaren Wohnraum sichern
Steigende Mieten belasten vor allem einkommensschwache Haushalte. Der soziale Wohnungsbau muss massiv gefördert und Sozialbindungen entfristet werden. Ein soziales Gewerbemietrecht für gemeinnützige Träger, eine bundesweite Mietpreisbremse sowie eine sozial gerechte energetische Sanierung sind unerlässlich, um Wohnen langfristig bezahlbar zu machen.
Europa sozial gestalten
Die geplante Zentralisierung der EU-Struktur- und Investitionsfonds gefährdet Förderinstrumente wie den ESF+, die für soziale Projekte von zentraler Bedeutung sind. Deutschland sollte sich entschieden gegen diese Pläne stellen, um die soziale Handlungsfähigkeit auf allen Ebenen zu bewahren.
Kindertagesbetreuung: Qualität und Fachkräfte sichern
Der Fachkräftemangel führt zu eingeschränkten Betreuungsangeboten und Defiziten bei den Kindern. Es braucht umfassende Investitionen, um bessere Fachkraft-Kind-Schlüssel zu erreichen, Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Betreuung an die Bedürfnisse von Kindern und Familien anzupassen. Besonders in Ostdeutschland bietet der demografische Wandel die Chance für mehr Qualität.
Soziale Sicherheit und Klimaschutz: Eine gemeinsame Aufgabe
Klimaschutzmaßnahmen müssen eng mit sozialer Sicherheit verzahnt werden. Energetische Sanierungen, nachhaltige Beschaffung und klimagesunde Ernährung in sozialen Einrichtungen müssen gefördert werden. Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel sollten genutzt werden, um einkommensschwachen Haushalten den Übergang zu klimaneutralem Leben zu erleichtern.
Diese Thesen und Vorschläge zeigen, dass soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung keine Gegensätze, sondern untrennbar miteinander verbunden sind.
Geschlechtergerechtigkeit:
Trotz Fortschritten sind Frauen* weiterhin Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Die Istanbul-Konvention muss konsequent umgesetzt werden, mit mindestens 14.000 neuen Frauenhausplätzen und einem Gewalthilfegesetz. Gleichzeitig sollte der Schwangerschaftsabbruch durch die Abschaffung des § 218 StGB entkriminalisiert werden, um reproduktive Rechte zu stärken und Stigmatisierung zu beenden.
Freiwilligendienste:
Freiwilligendienste sind essenzielle Bildungs- und Orientierungsjahre für junge Menschen. Ein Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst würde Zugangsbarrieren abbauen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Zudem braucht es eine verlässliche Finanzierung, um die pädagogische Begleitung und Stabilität der Strukturen zu sichern.
Kinder- und Jugendhilfe:
Die Einführung eines inklusiven SGB VIII ist ein notwendiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Dabei müssen die Fehler des Bundesteilhabegesetzes vermieden und der Bund an den Kosten beteiligt werden. Der Schutz vor sexualisierter Gewalt muss durch das UBSKM-Gesetz verbessert werden, das zügig verabschiedet werden sollte.
Gesundheit:
Gesundheit ist ein Menschenrecht. Die Einführung einer sozialen Bürger:innenversicherung würde soziale Gerechtigkeit und Zugang für alle sichern. Diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung erfordert Investitionen in Barrierefreiheit, Übersetzungsdienste und Diversitätsschulungen. Eine ressortübergreifende Strategie ist notwendig, um gesundheitliche Ungleichheit effektiv zu bekämpfen.
Rente und Alterssicherung:
Die gesetzliche Rentenversicherung muss durch eine Erwerbstätigenversicherung für alle gestärkt werden, um Gerechtigkeit und Stabilität zu gewährleisten. Mini-Jobs, die zu Altersarmut führen, sollten abgeschafft werden. Solidarische Elemente wie eine Mindestrente und die Anpassung der Beitragsäquivalenz an körperlich belastende Berufe sind zentrale Reformansätze.
Pflege und Altenhilfe:
Der Pflegeversorgungsnotstand erfordert eine langfristige „Pflege 2040“-Strategie mit Investitionen in Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen und die Stärkung pflegender Angehöriger. Eine Pflegevollversicherung würde pflegebedingte Kosten vollständig abdecken und Pflegebedürftige entlasten. Gleichzeitig muss die Digitalisierung in der Pflege vorangetrieben werden, um Ressourcen effizienter einzusetzen.
Selbsthilfe:
Selbsthilfe ist eine unverzichtbare Stütze des Gesundheitssystems. Die Förderung durch Krankenkassen muss vereinfacht und erhöht werden. Soziale Selbsthilfe braucht eine gesetzliche Finanzierungsgrundlage, um langfristig Engagement zu sichern. Zudem sollte Selbsthilfe in die Ausbildung von Gesundheitsberufen integriert werden, um Betroffene frühzeitig zu unterstützen.
Inklusion und Teilhabe:
Die Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Personalmangel, fehlende finanzielle Mittel und der Mangel an barrierefreiem Wohnraum schränken die Selbstbestimmung erheblich ein. Wir fordern daher eine konsequente Ausrichtung von Leistungen an den individuellen Bedürfnissen. Mit einem inklusiven Arbeitsmarkt, der auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf einschließt, sowie einem verbindlichen Stufenplan zur Schaffung barrierefreien Wohnraums, können wichtige Schritte in Richtung einer inklusiven Gesellschaft unternommen werden.
Suchthilfe und Suchtpolitik:
Deutschland braucht eine neue Suchtstrategie, die sich von Repression hin zu Prävention und Hilfe orientiert. Um Abhängigkeitserkrankungen besser zu bekämpfen, müssen Suchthilfen nachhaltig finanziert und Drogenkonsumräume flächendeckend etabliert werden. Ein Werbeverbot für legale Suchtmittel und die Regulierung von deren Verfügbarkeit können wichtige präventive Wirkungen entfalten. Es ist an der Zeit, Suchthilfe gesetzlich abzusichern und mit einem Präventionsfonds die Finanzierung langfristig zu gewährleisten.
Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft:
Rassismus und Rechtsextremismus gefährden nicht nur das gesellschaftliche Miteinander, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Demokratische Politik muss den sozialen Zusammenhalt fördern, indem sie Integrationsstrukturen wie Sprachkurse und Migrationsberatung stärkt. Gleichzeitig bedarf es einer langfristigen Strategie gegen Rassismus und Diskriminierung, um allen Menschen gleiche Chancen im Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen und Wohnungsmarkt zu ermöglichen.
Schutz für Schutzsuchende:
Menschen auf der Flucht benötigen faire Asylverfahren, sichere Fluchtwege und Bleibeperspektiven, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können. Arbeitsverbote müssen abgeschafft und der Zugang zu Bildung, Arbeit und Sozialleistungen erleichtert werden. Die Bundesregierung sollte zudem Programme wie den Familiennachzug beschleunigen, um den besonderen Schutz von Ehe und Familie gemäß Grundgesetz zu gewährleisten.
Internationale Kooperation:
Globale Herausforderungen wie Armut und humanitäre Krisen erfordern ein entschlossenes Handeln. Deutschland muss sein Engagement in der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit ausbauen und Erstaufnahmeländer bei der Versorgung Schutzsuchender stärker unterstützen. Ziel sollte es sein, die Ursachen von Armut zu bekämpfen und eine nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern.
Vorfahrt für Gemeinnützigkeit:
Gemeinnützige Organisationen leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Es braucht klare und einfache steuerrechtliche sowie organisatorische Rahmenbedingungen, um ihre Arbeit zu erleichtern. Gleichzeitig sind Schutzlücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu schließen, um Diskriminierung – auch aufgrund sozialer Herkunft – effektiv zu bekämpfen. Ein bürokratieärmeres Zuwendungsrecht würde zusätzlich die Arbeit von Trägern vereinfachen und stärken.