Armutsbericht 2017: Anstieg der Armut in Deutschland auf neuem Höchststand
Die Armut in Deutschland ist auf einen neuen Höchststand von 15,7 Prozent angestiegen, so der Befund des aktuellen Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der dieses Jahr wieder unter Mitwirkung weiterer Verbände und Fachorganisationen erscheint. Nach Aussagen des Verbandes markiert dieser Höchstwert einen mehrjährigen Trend wachsender Armut. Er fordert die Politik zu einem entschlossenen Handeln in der Arbeitsmarktpolitik, beim Wohnungsbau, in der Bildung und dem Ausbau sozialer Dienstleistungen und Angebote in den Kommunen auf. Voraussetzung für eine offensive Armutsbekämpfung sei ein rigoroser Kurswechsel in der Steuer- und Finanzpolitik.
Erstmals ermöglicht der Bericht des Paritätischen einen Zehn-Jahres-Vergleich. Auffällig sei dabei der Rückgang der Armutsquote in allen ostdeutschen Bundesländern mit Ausnahme Berlins. Auf der anderen Seite stieg die Armut in allen westdeutschen Bundesländern mit Ausnahme Hamburgs und Bayerns merkbar an. Als besondere Problemregionen identifiziert der Bericht im Zehn-Jahres-Vergleich die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen. Unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl, der Bevölkerungsdichte und der längerfristigen Trends müssten das Ruhrgebiet und Berlin als die armutspolitischen Problemregionen Deutschlands angesehen werden.
Bei allen bekannten Risikogruppen habe die Armut im Vergleich zum Vorjahr noch einmal zugenommen: Bei Erwerbslosen auf 59 Prozent, bei Alleinerziehenden auf 44 Prozent, bei kinderreichen Familien auf 25 Prozent, bei Menschen mit niedrigem Qualifikationsniveau auf 32 Prozent und bei Ausländern auf 34 Prozent. Alarmierend sei im Zehn-Jahres-Vergleich insbesondere die Armutsentwicklung bei Rentnerinnen und Rentnern. Ihre Armutsquote stieg zwischen 2005 und 2015 von 10,7 auf 15,9 Prozent und damit um 49 Prozent, ein völliger „Ausreißer in der Armutsstatistik“. Durchgreifende Reformen in der Alterssicherung seien daher unausweichlich, um Altersarmut vorzubeugen.
Der Armutsbericht enthält neben empirischen Daten zur Armutsentwicklung in Deutschland Analysen zur Lebenssituation und Armut einzelnen Personengruppen (Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche, Arbeitslose, Alte Menschen, Geflüchtete, Migranten, Menschen mit psychischer Erkrankung, Menschen mit Behinderung) sowie zu Querschnittsthemen (Wohnungslosigkeit, Gesundheit und Armut). Herausgeber des Armutsberichts sind Der Paritätische Gesamtverband, das Deutsche Kinderhilfswerk, der Volkssolidarität Bundesverband, die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, der Deutsche Kinderschutzbund, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte, die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, PRO ASYL und die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL).
Gemeinsam fordern die Organisationen von der Politik entschlossenes Handeln und eine Sozialpolitik, die alle Menschen mitnimmt. Es sei Zeit für einen sozial- und steuerpolitischen Kurswechsel, um Armut zu bekämpfen und eine Verringerung sozialer Ungleichheit zu erreichen.
Für den 27. und 28. Juni 2017 kündigen die Organisationen den nächsten großen armutspolitischen Hauptstadtkongress an, für den u.a. auch der DGB und die Nationale Armutskonferenz als Mitveranstalter gewonnen werden konnten.